Samstag, 24. Januar 2009
 
Die bequeme Unwahrheit PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Klimabündnis Kärnten   
Mittwoch, 14. März 2007

Umweltminister Josef Pröll warnt vor Fernreisen. Dagmar Koller will ihre Haare nicht mehr aus dem Waschbecken spülen, die heimische Wirtschaft rät vom Konsum ausländischer Lebensmittel ab. Seit die Politik die Bedrohung des Klimawandels entdeckt hat, hören wir allenthalben Appelle zu Konsum und Urlaubspatriotismus. Aber nicht immer ist ein Paradeiser aus Niederösterreich besser als eine Tomate aus Spanien.

Warum Konsumpatriotismus alleine das Klima nicht schützt!

Gegenwärtig überschlagen sich die Klimatipps in unseren Medien. So gut wie alles wird in CO2-Werten umgerechnet. Kein Wunder, denn der "Stoffwechsel" unserer Gesellschaft basiert inzwischen zu 80% auf fossilen Brennstoffen. In fast allen Produkten zirkuliert ähnlich dem Blut unseres Körpers Erdöl, Erdgas oder Kohle. Das macht die Berechnung von CO2 Bilanzen im Einzelfall aber sehr kompliziert. Wie wird das Produkt hergestellt, woher kommt es, wer verbraucht es, wie wird es entsorgt? All diese Fragen muss eine CO2 Bilanz beantworten, denn der gesamte Lebenszyklus eines Produktes steht zur Debatte. Selbst bei so einfachen Dingen wie Lebensmitteln ist das aber schon schwierig genug.

Nach repräsentativen Umfragen kauft die Mehrheit der Österreicher Lebensmittel aus der Region, weil sie so etwas zum Klimaschutz beitragen können. In Schulen rechnen die SchülerInnen das Kilometer-Frühstück mit dem Ergebnis: "je länger der Transportweg des Produkts, desto schlechter das Ergebnis." Grundsätzlich hat der Konsument Recht, wenn er sich an "Transportkilometern" orientiert. Verursacht der Verkehr doch ein Drittel aller CO2 Emissionen. Betrachtet man aber ein Produkt "von der Wiege bis zur Bahre", ist der Transport oft nur eine kurze Lebensphase.

Zum Beispiel Paradeiser

Ein gutes Beispiel gibt hier die steigende Nachfrage nach Sommergemüse im Winter. Die in Verruf geratenen holländischen und spanischen Paradeiser werden inzwischen vermehrt durch heimische Paradeiser ersetzt. Anfang März sind die Regale unserer Supermärkte voll mit Paprika und Tomaten. Und sie kommen aus der "Thermenregion Niederösterreich", die heurigen Paprika tragen auch das AMA Gütesiegel. Kaum jemand stellt sich die Frage, wie österreichisches Sommergemüse im Winter produziert wird. Die regionalen Paradeiser stammen aus mit Erdgas beheizten Treibhäusern. Die Produktion von einem Kilo Paradeiser aus einem beheizten Treibhaus verbraucht etwa 10 kg CO2. Selbst Paradeiser, die per Flugzeug z.B. von den Kanarischen Inseln geliefert werden, haben pro Kilo mit 7 kg CO2 einen geringeren Energieverbrauch. Ein kg Freiland-Tomaten aus der Region benötigt nur etwa 100 g CO2, werden sie auch noch biologisch aufgezogen, halbieren sich die Emissionen nochmals.

Betrachtet man nur den Energieverbrauch, wären Bio-Paradeiser, die in klimatisch begünstigten Regionen Südeuropas geerntet und mit dem LKW transportiert werden, energetisch immer noch vernünftiger als Paradeiser aus beheizten Glashäusern. Es gilt die Faustregel: Die Gemüseproduktion im beheizten Glashaus ist gemessen am Energieverbrauch im Schnitt zehnmal umweltschädlicher als ein entsprechendes Freilandprodukt!

Klimaschutzweltmeister Biobauer

Der CO2-Anteil des Transports von Lebensmitteln vom Erzeuger bis zum Supermarkt liegt im Schnitt bei nur 5% des Gesamtenergieverbrauchs. Mit knapp über 50% hat die Landwirtschaft den weitaus größten Anteil am Energieverbrauch von Lebensmitteln zu verantworten. Da in der Landwirtschaft am meisten Energie benötigt wird, ist es hier auch am effektivsten mit den Energiesparmaßnahmen zu beginnen. Der eindeutige Energiesparchampion ist der Biolandbau. Beim Biolandbau wird aufgrund des Verzichts auf chemische Düngemittel und importierte Futtermittel, wie beispielsweise Soja aus Brasilien, 65% weniger CO2 erzeugt, als bei konventioneller Landwirtschaft.

Die Art des Transportes

Auch den "heimischen Apfelsaft“ gegen den „ausländischen Orangensaft" auszuspielen, führt in die Irre: Die meist in der Gegend um São Paulo angebauten Orangen werden nach der Ernte gepresst, dem Saft wird das Wasser entzogen und er wird auf 8% seiner Masse konzentriert, tiefgekühlt und anschließend mit dem Schiff über 12.000 km nach Europa transportiert. Das Konzentrat aus "100% Orangensaft" wird hierzulande wieder mit Wasser verdünnt und landet dann in unseren Verkaufsregalen. Durch die gewaltige Kapazität der Frachtschiffe fällt der Treibstoffaufwand pro Kilo nicht ins Gewicht. Ist der Orangensaft aus Biolandwirtschaft und mit dem Fair Trade Gütesiegel ausgezeichnet, spricht nichts gegen dessen Konsum. Daraus folgt, der Transport von Gütern mit Bahn und Schiff ist auf jeden Fall klimatauglich. Das gilt für den LKW nur mehr bedingt. Der Transport von Lebensmittelgütern mit Flugzeugen schädigt das Klima dagegen am meisten.

Beispiel Fleisch

Österreichisches Fleisch, insbesondere Schweine- und Hühnerfleisch wird pro Jahr mit Hilfe von etwa 750.000 Tonnen Sojaschrot gemästet. Die Soja importieren wir mit Schiffen aus Argentinien und Brasilien. Dann wird sie auf die Lagerhäuser in ganz Europa verteilt. Aus der Perspektive des Transportes wäre der Direktimport des Fleisches besser für das Weltklima. Das Etikett Klimaschutz dürfte in diesem Sinne bei uns nur der Biolandbau tragen, da er verpflichtet ist, auf die importierten Übersee-Futtermittel zu verzichten. Wegen der tragenden Rolle, die die Futtermittel für die Agroindustrie spielen, wird diese Problematik tunlichst verschwiegen.

Regional nicht mit national gleichsetzen

Für die Bevölkerung in Villach ist importiertes italienisches Gemüse aus Udine ökologisch vorteilhafter als österreichisches Gemüse aus dem Marchfeld. Außerdem wird vielfach vergessen, dass der österreichische Handel Jahr für Jahr immer mehr Lebensmittel exportiert.

Wie soll der Konsument entscheiden?

Das Erkennen globaler Zusammenhänge ist Voraussetzung für effizienten Klimaschutz. Werden sie ausgeblendet, wird aus Klimaschutz leicht Klimapopulismus, der nur den Interessen bestimmter Wirtschaftszweige dient. Politik und Wirtschaft werden in Zukunft gefordert sein, Aktivitäten zum Thema Klimaschutz durch seriöse und nachhaltige Informationen zu unterstützen. Denn unser Weltklima unterliegt den Naturgesetzen. Halbwahrheiten können auch nicht mit noch soviel Werbung wahr gemacht werden. Das Plädoyer "Der Konsument entscheidet!" ist absurd, denn wie soll man richtig entscheiden, wenn man falsch informiert wird? Gegenwärtig gibt es nur einen Weg aus dem Dilemma: "Halte unser Klima rein, kauf Bio & Fair Trade-Produkte aller Bauern ein - natürlich wenn saisonal dann regional!"

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